Sonntag, 29. November 2020

 

Das Markusevangelium - Infos und Erklärungen 2


Warum eigentlich vier Evangelien?

Ist es nicht merkwürdig, dass die frühe Kirche uns gleich vier Berichte über Jesus überliefert hat – die vier Evangelien nach Matthäus, Markus und Johannes? Wäre es der Klarheit und Eindeutigkeit der Glaubensverkündigung nicht zugute gekommen, wenn es nur eine Erzählung über die Taten und Worte Jesu geben würde? Immerhin gibt es ja eine ganze Reihe von Unterschieden und kleinen Abweichungen zwischen den vier Evangelien. Und gerade im Blick auf das Markusevangelium stellt sich die Frage: Wozu braucht es dieses Evangelium? Der größte Teil des Stoffes aus dem Markusevangelium findet sich auch bei Matthäus und Lukas. Und dann gibt es ja noch eine ganze Reihe anderer Evangelienschriften aus der Zeit der frühen Christenheit – das Thomasevangelium, ein Evangelium, das besonders Geschichten vom jungen Jesus berichtet und einige andere. Warum wurden sie nicht ins Neue Testament aufgenommen?

Ich denke, die Christen im ersten Jahrhundert haben heftig über diese Fragen gestritten. Und ich bin froh, dass sie sich entscheiden haben, uns gerade diese vier Evangelien zu überliefern, die wir heute in der Bibel finden. Sie sagen uns damit: es gibt viele Wege, zu Jesus zu finden und von ihm zu erzählen. Es geht nicht um den Buchstaben eines Buches, sondern um die lebendige, faszinierende Gestalt des Jesus von Nazareth. Es kommt nicht darauf an, dass seine Worte und Taten von allen mit dem gleichen Wortlaut erzählt werden, sondern darauf, dass sein Geist uns erfüllt, dass er lebendig bei uns ist. Es ist allerdings keine beliebige Geschichte, die man willkürlich ändern und ausgestalten könnte. Die vier Evangelien geben uns verlässlich den Glauben und die Überlieferung der ersten Christen wieder. 

Es ist richtig, dass wir fast jeden Vers aus dem Markusevangelium – oft in etwas anderer Formulierung – auch im Matthäusevangelium finden, und den größten Teil auch bei Lukas. Trotzdem hat es einen guten Sinn, dass uns das Markusevangelium als eigene Schrift überliefert ist. Es hat seine ganz eigene Sicht auf Jesus und seine Jünger und es ist nach nahezu übereinstimmender Ansicht der heutigen Bibelwissenschaftler das früheste Evangelium.


Die Beschäftigung mit einem Buch der Bibel soll nie nur in vergangene Zeiten blicken. Das Markusevangelium macht uns Mut, die eigne, ganz persönliche Geschichte mit Jesus zu entdecken.


M. Wetzel


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