Beim Durchlesen sind mir sofort die Bilder von den „Schafen und Hirten“, von „drinnen und draußen“ und von „Achtsamkeit und Entschleunigung“ gekommen.
In der ersten Lesung hören wir von den Schafen und den Hirten.
Querdenker und Verschwörungsgläubige betiteln die anderen gerne als „Schlafschafe“, die willenlos alles mit sich machen lassen, alles glauben was die Regierung, die Virologen und das Robert-Koch-Institut sagen.
Wer aber gibt den Kurs an, wer zeigt den Weg durch die Pandemie?
Wer leitet das Volk?
Und ganz klar sprechen wir bei ihnen nicht von guten „Hirtinnen und Hirten“ – dieses Bild ist für den kirchlichen Raum „reserviert“.
Menschen brauchen immer wieder Leitung und Führung – in Gesellschaft und Kirche.
Und auch hier haben wir Anknüpfungspunkte aus unserer kirchenpolitischen Situation.
Haben nicht auch „Hirten“ unserer Kirche ihr Amt schamlos entwürdigt, indem sie Kinder missbraucht haben?
„Weh den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen – Spruch des Herrn.“ (Jer 23,1).
Im Laacher Messbuch steht als Kommentar: „Was würde Jeremia heute uns sagen, der Kirche? Natürlich ist diese Mahnrede auch als gewaltiges Drohwort gegen die zu lesen, die in schreckliche Weise ihre Hirtenpflicht, ihre Sorge um die Menschen nicht nur verletzt, sondern ihre besondere Position schändlich missbraucht haben. Jeremia verspricht im Namen Gottes, dass alle, die im Namen Gottes oder als Hirten Schändliches getan haben, zur Rechenschaft gezogen werden.“
Aber gilt dieses Wort nicht uns allen?
Die klassische Einteilung von Schafen und Hirte stimmt ja bei uns nicht mehr. Auch wir, die nicht Geweihten, tragen Verantwortung und sind nicht einfach willenlose Schafe. Ein oben und unten gibt es nicht mehr?
Jesus denkt nicht in solchen Kategorien. Er ist gekommen, dass alle Menschen das Leben in Fülle haben (Joh 10,10). Er will uns zu neuen Menschen machen.
Diese Lesung sollten wir im Blick haben, wenn wir immer wieder Verlautbarungen und Aussagen tätigen, die zwar betonen, jede/r ist willkommen, dann aber auch gleich wieder Begrenzungen festlegen.
Klar denke ich hier an gleichgeschlechtliche Paare, an geschiedene Wiederverheiratete, aber auch an Menschen, die noch nicht den vollen Weg der Kirchlichkeit gehen wollen und z.B ihr Kind segnen (nicht taufen) lassen wollen….
Kirche, wir alle sollten deutlich machen, dass Menschen ihre Würde in Gott haben und keiner von uns die andere/den anderen richten darf.
Das ist Evangelium Jesu Christi.
Und im Tagesevangelium greift Jesus die erste Lesung auf und zeigt, wie der gute Hirte handelt: er sorgt sich um die Seinen, er hat Mitleid mit ihnen, er lehrt sie, damit sie gerüstet sind für ihre Aufgaben, in die er sie stellt.
„Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht euch ein wenig aus.“
Mit kommt sofort das Bild der Achtsamkeit, der Entschleunigung, aber auch des Kräftesammelns in Jesu Gegenwart.
Jesus nimmt seine Jünger aus dem Alltag heraus.
In Jesu Gegenwart – er ist immer an unserer Seite – waren wir an einem Ort der Einsamkeit und haben gemerkt, dass wir suchen müssen, was uns geistlich gut tut.
Die Routine, Eucharistiefeier am Sonntag, wurde durchbrochen.
Ich glaube, jede/r hat den eigenen einsamen Ort gefunden, wo sie/er Kraft, Mut und neue Hoffnung schöpfen konnte.
So spüre ich, dass unser Glaubensleben sogar durch diese Krisenzeit bereichert wurde und wird.
Wir brauchen den guten Hirten Jesus, wir brauchen „Hirtinnen und Hirten“ auf unserm Weg, wir sind aber keine „Schlafschafe“, die willenlos mittrotten.
Pfr. Wetzel hat auf seinem youtube-Kanal eine exegetische Einordnung der Texte dieses Sonntags dargestellt - mir sind diese Bilder wichtig mir ihren Anknüpfungen in meinem, unseren Leben und Alltag.
Vielleicht ergänzen sich beide Ansatzpunkte.
https://www.youtube.com/watch?v=Mzl06vihHsU
Ihnen allen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche. Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder Ihre „einsamen Orte in der Gegenwart des guten Hirten Jesus“ finden.
Sabine Hansen, Pastoralreferentin
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